DER SCHMUDDELKINDERBLUES
Nette Menschen schenken mir was. Kleidung, zum Beispiel. Dummerweise bin ich das klassische Schmuddelkind - egal wie neu etwas ist, wie teuer es war und wie vorsichtig ich bin: Spätestens beim zweiten mal Anziehen ist ein Fleck drauf.
Nicht, daß ich wirklich ungeschickt wäre, aber es gibt halt die beiden Extremtypen. Das Gegenteil von mir sind Leute, die sich buchstäblich im Schlamm wälzen können und hinterher immer noch aussehen wie aus dem Ei gepellt.
Mein Leben verläuft ja eher so: Essen mit meinem Chef in einer Pizzeria. Er: "Mit Rücksicht auf mein weißes Hemd werde ich mal lieber nichts mit Tomatensauce essen".
Früher hat meine Mutter immer die anderen Leute am Esstisch mit allem beschossen, was sich ihrem Besteck widersetzte: Zu festes Gemüse, Nudeln, irgendjemanden am Nachbartisch hat sie mal mit einem Knochen getroffen. Eigentlich kam es seltener vor, daß nicht irgendwas über den Tisch rollte. So weiß ich wenigstens, woher ich das habe, es ist nämlich genetisch bedingt, kann gar nicht anders sein.
Aber sie hat sich gebessert. Sagt sie. Mir ist zwar nichts aufgefallen, aber es gibt mir für's weitere Leben Hoffnung, immerhin. Vielleicht ißt sie jetzt aber auch nur seltener in der Kantine.
Das Gegenteil von Schmuddelkindern wie uns sind die schon erwähnten Saubermänner. Ich weiß ja nicht, was für eine Jugend die hatten, und wie sie das kompensieren. Mir erscheint das unnatürlich.
Kürzlich begegnet mir bei der Arbeit so einer: Hat einen Reiseaschenbecher dabei, zum Aufklappen, und er ascht da immer ganz ordentlich rein. Ich sag ja nur: Reiseaschenbecher!
Ich - voll bei der Sache - habe eine komische Substanz am Boden zu prüfen, dazu muß man sie unter anderem anfassen. Hinterher kleben die Hände, was abzusehen war, aber unvermeidbar. Wo will ich die Hände also abwischen? An der nächsten Wand natürlich (Ort der Handlung: Ein Neubau-Keller, da geht das schonmal). Der Kollege steht daneben, in seinem teuren und schon irgendwie sehr schicken Sacko, kuckt vorwurfsvoll und reicht mir ein Taschentuch. DER muß natürlich ein Taschentuch dabeihaben! Na schön, mir hilft das.
Kurze Zeit später untersuchen wir Staub auf einer Wand und der Mensch meint, das ließe sich doch ganz leicht abwaschen. Ich zweifle. Zum Beweis zückt er ein Erfrischungstuch und wischt auf der Wand herum. Ich bin sprachlos: Er hat nicht nur Taschentücher, sondern ZUSÄTZLICH noch Erfrischungstücher immer dabei.
Zum Schluß stehen wir vor einem Pumpensumpf. Kennt das hier jemand? Den Pumpensumpf mit der Sumpfpumpe? Das ist so eine Grube im Keller, in der all die Suppe von Waschmaschinenhavarien und geborstenen Abflüssen zusammenlaufen soll. Von da aus wird das Gebräu dann mit einer Pumpe in den Kanal befördert.
Stehen wir also vor der Grube, die knietief mit übelriechender, kalter, weißlicher Brühe angefüllt ist, auf der eine Menge Fettaugen schwimmen. Ich stelle fest, daß die Pumpe nicht funktioniert. Der Kollege behauptet, daß doch. Ich bemerke spitz, daß wir das wohl heute nicht herausfinden werden, weil man dazu den Schwimmerschalter, der in der Brühe schwimmt, betätigen müßte. Schon bei dem Gedanken wird mir seekrank. Der Kollege aber sagt, daß das kein Problem sei. Allerdings muß man sich dazu auch noch fast auf den Bauch legen, in dem staubigen Keller. Und schon legt er los, ich kann ihn nicht zurückhalten. Schwarze Hose, weißes Hemd und ein Armani-Sacko (...auf der Baustelle, pffff!!!). Dann stellt er fest, daß die Pumpe wirklich nicht geht, und ich stimme zufrieden zu.
Er aber steht wieder auf, wischt sich die Hände ab, klopft einmal gegen die Hose und sieht genauso geschniegelt aus wie vorher. Boooah ey! Ehrfucht! Hätte ich das versucht, ich hätte noch tagelang nach Kloake gestunken, und meiner Kleidung wäre dieses Erlebnis bis zu ihrem baldigen Ende auf dem Scheiterhaufen anzusehen gewesen.
Hat mal jemand ein Erfrischungstuch?
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© 2001 Carsten, der <°((( ~~< |