MEDIZINISCHE  SAMMLUNG
 

Die verschiedenen Körperteile stehen - in Alkohol eingelegt - auf den Regalen der medizinischen Schausammlung und schimmern in den bekannten Farben vor sich hin: Auswurfgrün, Hämatomlila, Wässrig-Gelb.

Sobald das noch lebende Personal der Sammlung den Raum verlassen hat, treiben sie Schabernack miteinander: Sie winken sich in ihren Gläsern zu, schneiden sich gegenseitig Grimassen, die begabteren singen oder erzählen Witze und Geschichten.

Oft handelt es sich beim Erblasser des Körperteils um das Objekt genetischer Experimente, dessen sterbliche Überreste so der Wissenschaft zur Verfügung stehen ... sollten.

Den Forschern ist nicht bewußt, daß die Präparate der Organe und Körperteile längst ein Eigenleben entfalten und die Experimente mutwillig hintertreiben - die Forschungsergebnisse werden von den Präparaten manipuliert: Sie stellen sich im entscheidenden Augenblick tot, halten die Luft an oder stoßen Bläschen aus und kichern dabei vor sich hin.

Im fortgeschrittenen Stadium - auch die Präparate durchlaufen eine Adoleszenz - schrauben die Exponate ihre Gläser von innen auf, klettern auf ihrem Regal herum und besuchen sich gegenseitig in den zugehörigen Gläsern.

Es hat sich ein Benimmkodex zwischen ihnen entwickelt, eine Art Präparate-Knigge: Beim Besuch in einem fremden Glas ist zuerst die Qualität des dort verwendeten Alkohols zu loben. Anschließend nimmt man gemeinsam ein Schlückchen und bringt einen humorigen Toast auf die Gesundheit des Gastgebers aus. Dabei wird der medizinischen Sammlung ein langes Leben gewünscht.

Bei eingelegten Körperteilen läßt sich schwer zwischen Ironie und Zynismus unterscheiden.





 

 
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© 2002 Carsten, der  <°((( ~~<