Kürzlich,
im Sommer 2004, wurde der Wettbewerb »Das schönste
deutsche Wort« vom Deutschen Sprachrat veranstaltet, bei dem
"Muttersprachler und Deutschlerner" eingeladen waren, "ihr liebstes,
schönstes, kostbarstes deutsches Wort einzureichen und ihre Wahl mit
einer kurzen Begründung zu versehen". Hier also ein Beitrag zum Thema.
Mein schönstes liebstes bestes deutsches Lieblingswort:
AUFMERKSAMKEITSDEFIZITSYNDROM
Eine typische Geschichte aus dem Internetzeitalter. Zu dem Wort bin ich
gekommen, weil das jemand in eine Internetsuchmaschine eingegeben
hatte, dabei immer neue Fehler machte - Aufmerksamkeitdefizitsyndrom,
Aufmerksamkeitsdefizsyndrom
- und der
Veröffentlicher und Kommentator des Protokolls lapidar bemerkte: „Da
weiß jemand wirklich, woran er leidet."
Die erste sympathische Besonderheit an diesem Wort: Es gestattet einem
eine Unzahl von Fehlbuchstabierungen. Warum das gut sein soll? Nun, nur
so kann sich Sprache weiterentwickeln, an kleinen Ungewohntheiten
entzündet sich die Assoziation, galoppiert los und erfindet vielleicht
etwas völlig anderes, das weder mit Aufmerksamkeit noch überhaupt mit
Sprache das geringste zu tun hat. Ich fördere diesen Prozess gerne
dadurch, daß ich das griechische Y durch ein deutsches Ü ersetze - weil
es nun einmal so gesprochen wird, und weil wir im Deutschen einen
Buchstaben dafür haben. Aus SYNDROM wird damit SÜNDROM, und den
Rest überlasse ich der Phantasie des geneigten Lesers.
Ganz zu Anfang wollte ich mich eigentlich ein wenig selbstkritisieren.
Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ist ja nur teilweise echten deutschen
Ursprungs: Aufmerksamkeit. Das DEFIZIT ist lateinisch und das SÜNDROM
griechisch (tick, tick, tick, tick - na, wann fällt der Groschen? Ah,
da!)
Warum jemand das bei einem Wettbewerb für das schönste liebste
beste deutsche Wort einreicht?
Weil so etwas eben geht: Ein Begriff, der seine Wurzeln in halb Europa
hat, und doch verstanden werden kann - wenn man will.
Weil bei Leuten, die dieses Wort gebrauchen, schwer zu unterscheiden
ist, ob es sich um klassisch gebildete Mediziner oder schwätzende
Ästheten oder gründlich halbgebildete Mütter anstrengender Einzelkinder
handelt.
Und: Weil man im Deutschen so etwas machen kann, und damit einen viel
schöneren Klang erreicht als wenn man einfach nur schnöde sagen würde: Aufmerksamkeitsmangelkrankheitsbild.
Und das Wort ist vor allem deshalb so schön, weil einem beim Gebrauch
die Aufmerksamkeit des Zuhörers erstmal sicher ist.
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