LEBENSMITTEL, ZUM BEISPIEL
Immer stockt mir ganz leicht der Atem, wenn ich FOL EPI lese, oder ETORKI. Ich nehme keine psychoaktiven Drogen und wahrscheinlich deshalb passiert mir das meistens im Supermarkt, vor dem Käsekühlregal, weil: Es handelt sich um Käsenamen.
Was da dran so besonderes ist? Ganz einfach: Wer glaubt denn schon, daß sich so ein Name in irgendeiner europäischen Sprache selbständig entwickelt haben soll. Na? Genau: Solche Namen entwickeln sich nicht von selbst - ein Käsenamendesigner muß da am Werk gewesen sein. Seine einprägsamen Erfindungen springen einem sofort ins Auge.
Der Käseklang soll beim Käufer irgendetwas wachrufen, eine Assoziation, einen Geruch, auf jeden Fall aber den Wunsch, zu kaufenkaufenkaufen - und zwar sofort. Besinnungslos. Ohne Überlegung. GIER wäre optimal.
Nur bei mir kommen da merkwürdige Assoziationen hoch, und kaufen will ich so einen Käse dann auch nicht gleich.
Das erinnert mich zuallererst an die Benamung von Dingen in der ehemaligen - Walterhabsieselig! - DDR. Ich wette, als Unterinstitut der Dudenredaktion (Ost) gab es dort eine hauptamtliche Einrichtung zur Erfindung von Bezeichnungen - für Begriffe, die schon lange einen Namen hatten.
Es schien darum zu gehen, treffende, ausdrucksstarke und möglichst einheimisch klingende Bezeichnungen zu finden: Diese mußten gleichzeitig immer demokratisch-kämpferische Entschlossenheit wie auch die Abscheu vor Dekadenz und Kapitalismus mit sich herumtragen. Aber Weltniveau!
Das war jetzt ein wolkiges Wortkonstrukt, was? Nachfolgend ein paar Beispiele:
Also, ich meine natürlich nicht (nicht!!!) das Jahresendflügeldings. Das war ja schon die ironische Antwort auf den Neubenennungswahn, meiner Ansicht nach stammte diese mutwillige Übertreibung aus dem Westen.
Ich denke an so schöne Sachen wie die "Sättigungsbeilage". Die hieß im Westen einfach "Kartoffel". Was anderes als Kartoffeln habe ich in der DDR als Sättigungsbeilage jedenfalls nie bekommen, obwohl doch eigentlich eine ganze Gattung beschrieben wird - es hätte also genausogut Reis, Brot, Maiszeugs oder Nudeln geben können. Aber beachte auch den unfrohen Gestus! Von Genuß keine Spur, die Degradierung des Essens zur mechanischen Nahrungsaufnahme, Bedürfnisbefriedigung. Essen mußte ernähren, Skorbut verhindern und, aufgrund der unzulänglichen Konstruktion des Menschen, leider auch sättigen. Das wurde also mittels der Beilage erledigt.
Ein anderes schönes Wort waren die sogenannten "Grenzorgane". Die gab's im Westen schon auch, doch da sagte man einfach "Zoll" zu allem was so in grün herumschwirrte. Die "Grenzorgane der Deutschen Demokratischen Republik" wurden von den Westberlinern immer mit einem Schmunzeln verkürzt als "die Organe" bezeichnet, man begegnete ihnen eben nur an den Grenzen, der DDR-Bürger hatte mit ihnen daher eher selten zu tun. In diesem Wort findet man einerseits eine absichtliche Betonung/Überhöhung der Berufsbezeichnung für Aufpasser, (der de facto aber mit viel weiterreichenden Befugnissen ausgestattet war), dargereicht mit einem würdevollen Klang, und alles ausgedrückt in einem einzigen Wort: Für mich ein deutliches Zeichen der künstlichen Spracherfindung. Irgendwann schien sich das sogar im normalen Sprachgebrauch einzunisten, wie auch der Ausdruck "unsere Republik". Ja wessen Republik denn sonst?
Und dann etwas ganz hübsches, den "Stadtbilderklärer". Den kannte man im Westdeutschen als "Fremdenführer". Bei der Frage, warum es denn im Sozialismus eine andere Bezeichnung dafür brauchte, brodeln sofort eine ganz Reihe von Bildern und Gedanken aus dem Unterbewußtsein hoch: War es die Auffassung, daß man im Sozialismus ja gar nicht "fremd" sein könne? Vielleicht die häßliche Erinnerung an einen "Führer"? Andererseits aber eben auch die schöne Vorstellung, daß man das überaus interessante Stadtbild ja nicht nur zeigen, sondern auch erklären möchte. Das ist doch romantisch, nicht?
Eigentlich schade ist, daß man zu der eigenen Sprache, mit der man aufgewachsen ist, so wenig Distanz hat. Das Durchschauen ähnlicher Vorgänge in der Sprache des Westens fällt dem Autor mit seiner Westsozialisierung erheblich schwerer.
Mit einigen Ausnahmen. Beim Umzug im jugendlichen Alter aus einem südlich gelegenen Kaff nach Berlin fiel eines sofort auf: Die Berliner Mitschüler kauften nichts, sie "holten" die gewünschten Dinge. Fein, dachte der Autor, man braucht die Sachen nur zu holen, bezahlen muß man hier nicht! Das erwies sich als bedauerlicher Irrtum.
Aber niemandem schien aufzufallen, wie sehr sich die konstruierte und zweckgerichtete Sprache der Fernsehwerbung im Alltag ausgebreitet hatte. Wie viel einfacher lebt es sich unter Vermeidung des häßlichen Gedankens an das KAUFEN oder womöglich BEZAHLEN:
Zugegeben hat das nie jemand, die wenigsten der Mitschüler haben überhaupt den Unterschied verstanden. Jedenfalls gaben sie das vor. Wer gibt schon gerne zu, daß er sich manipulieren läßt? Aber sprachlich ist es bis heute dabei geblieben, in Berlin KAUFT niemand.
In Irland habe ich mal erlebt, wie achjährige Schulkinder im Bus die Coca-Cola-Fernsehreklame sangen - nur so, ohne Auslöser im Radio und ohne Showmaster Michael. Einem Manager aus der Werbebranche wären bei so erfolgreichem Wirken sicher die Tränen der Rührung in die Augen gestiegen. Mir hingegen wurde dabei ganz sonderbar.
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© 2001 Carsten, der <°((( ~~< (gemeint ist: Post an den Autor) |